GE Plastics

Antworten von den Experten: Gespräch mit Clare Frissora von GE – Plastics über Materialien für die Medizintechnik


Frage: Welche sind heute die wichtigsten Überlegungen in Bezug auf die Konstruktion medizintechnischer Anwendungen?
Frissora: Bei Innovationen der Healthcare-Industrie spielen drei Aspekte eine signifikante Rolle: Schnellere Umsetzung, zuverlässige oder erhöhte Sicherheit und das Gesamtkosten-Management. Bei der Optimierung bestehender medizintechnischer Anwendungen sind Verbesserungen der Benutzerfreundlichkeit, Funktionalität und Sicherheit sowie ebenfalls schnelle Umsetzung die typischen Ziele. Um all dies zu erreichen, untersucht der Konstrukteur mehrere Faktoren, einschließlich Miniaturisierung, Gewichtsreduzierung und Ergonomie.

In der Chirurgie beispielsweise erschließen kleinere Instrumente für minimalinvasive Eingriffe die Möglichkeit den verletzten oder erkrankten Bereich mit kleineren Schnitten zu erreichen und so nicht nur das Trauma des Patienten zu reduzieren, sondern auch die Sicherheit und Effektivität des Eingriffs.

Bei bestimmten Produkten, wie Handgelenk-Fixiersystemen, profitieren Patienten und Ärzte gleichermaßen auch von Gewichtsreduzierungen. Die Fixierhilfen werden zum Beispiel zur Behandlung spezifischer Knochenbrüche eingesetzt, wie der Colles-Fraktur, die durch Überstreckung des Handgelenks beim Fallen auf eine ausgestreckte Hand entsteht, oder bei anderen Verletzungen, die eine Ruhestellung des Handgelenks erfordern. Herkömmliche Fixierhilfen basieren dabei auf Metallstäben und Schrauben, um die Knochen beim Heilen zu stabilisieren. Das macht sie schwer und kann beim An- und Ausziehen hinderlich sein. Konstruktionen aus Lexan* Polycarbonat oder Ultem* Polyetherimid sind demgegenüber dünn und leicht, angenehmer zu tragen und schränken die Mobilität des Patienten weniger ein. Lexan spart nicht nur Gewicht, sondern verfügt zugleich über hohe Schlagzähigkeit, die selbst bei wiederholter Gammasterilisierung erhalten bleibt. Einige neuere Lexan-Typen bieten auch erhöhte Dampfsterilisierbarkeit. Ultem ist das Material der Wahl für Anwendungen, die bei besonders hohen Autoclaviertemperaturen sterilisiert werden müssen.

Frage: Kleinere und leichtere Produkte können sich also entlastend für den Patienten auswirken – doch welche Vorteile bringen Sie dem Klinikpersonal?

Frissora: Im Fall der Handgelenkfixierhilfen bieten Kunststoffe – da sie für Röntgenstrahlen durchlässig sind – dem Arzt eine bessere Kontrolle des Heilungsfortschritts. Der ClearView™ Fixator von Rigid fx Orthopedics nutzt die erwähnten Vorteile für den Patienten und Arzt auf beispielhafte Weise unter Einsatz von Lexan HPS7, einem unserer neueren Produkte, das hier aufgrund seiner Schlagzähigkeit, Transparenz, Gewichtsersparnis und Gammasterilisierbarkeit gewählt wurde.

Bei Anwendungen, die unmittelbar vom Arzt oder Pflegepersonal benutzt werden, kann auch die Ergonomie sehr wichtig sein. So werden Einweginstrumente in der Chirurgie zwar nach der Operation des jeweiligen Patienten entsorgt, während des Eingriffs jedoch meist mehrfach verwendet. Gute Griffigkeit und funktionale Form können die richtige Handhabung dieser Instrumente wirksam unterstützen.

Ein weiteres Beispiel für die Schlüsselfunktionen der Ergonomie des Designs und der Leistungsfähigkeit des Materials ist das subkutane Hautklammergerät INSORB®|20 von Incisive Surgical. Der Stapler wird aus Ultem spritzgegossen, das eine ergonomische Konstruktion mit hoher Griffsicherheit ermöglichte und gleichzeitig gute Kompressionsfestigkeit sowie Chemikalienbeständigkeit bietet. INSORB|20 kann bis zu 20 subkutane Klammern setzen und erforderte im Kopf-, Hebel- und Bügelbereich hohe mechanische Festigkeit gegen die auftretenden Kompressionskräfte beim Klammern. Ultem von GE wurde gewählt, weil es diesen Kräften dauerhaft standhält, ohne an Dimensionsstabilität oder Festigkeit zu verlieren. Als Hochleistungspolymer kommt es außerdem den Forderungen nach Gewicht sparenden und ergonomischen Konstruktionen für eine ermüdungs- und verkrampfungsfreie Handhabung durch den Arzt oder das Pflegepersonal entgegen.

Die Bedeutung von Gewicht und Leistungsfähigkeit unterstreicht auch eine völlig andere Anwendung – ein Sterilisiertablett. Es dient dazu, die zu autoclavierenden Teile zu halten und lässt sich – wenn aus Kunststoff anstelle von Metall gefertigt – wortwörtlich „leichter“ tragen. Hinzu kommen Schlagzähigkeit und dauerhafte Robustheit. Insgesamt tragen unsere Kunststoffe in einer Vielzahl unterschiedlicher medizintechnischer Produkte dazu bei, deren Nutzwert für Patienten und Klinikpersonal zu steigern.

Frage: Neben Gewichtsreduzierung und Konstruktionsspielraum, welche weiteren Vorteile bieten Kunststoffe in den traditionellen Einsatzbereichen von Metallen in der Medizintechnik?

Frissora: Die Vielfalt der heute verfügbaren Hochleistungspolymere bietet unterschiedliche Eigenschaftskombinationen für teilweise sehr spezifische Anforderungen in der Medizintechnik. Die in den bereits beschriebenen Beispielen eingesetzten Produktfamilien Ultem und Lexan sind nur zwei Beispiele dafür und erfüllen insbesondere erhöhte Kriterien der Festigkeit und der Sterilisierbarkeit. Einer der meistversprechenden Schlüssel zur Substitution von Metallen liegt in der Entwicklung maßgeschneiderter Compounds mit sehr hohen Leistungseigenschaften, einschließlich mechanischer und Verschleißfestigkeit, Gleitfähigkeit und Dimensionsstabilität bei wiederholgenauer Verarbeitbarkeit zu Formteilen mit engen Toleranzen. So sind LNP* Lubricomp* Compounds von GE ausgezeichnete Kandidaten für gleitfähige Anwendungen mit hoher Verschleißfestigkeit, während sich LNP Thermocomp* Compounds aufgrund ihrer inhärenten Zähigkeit bewährt haben. Dies kann besonders wichtig sein, wenn es um die präzise Konstruktion und Funktion vieler Innenbauteile von Instrumenten für die minimalinvasive Chirurgie geht. Zahlreiche Anwendungen, von Zubehör bis zu Hand- und elektrochirurgischen Instrumenten, unterstreichen das Potenzial von LNP Lubricomp und LNP Thermocomp für anspruchsvollste Konstruktionen. So lässt sich ein LNP Lubricomp auf Ultem-Basis beispielsweise für ganz spezifische Kombinationen von Steifigkeit, Verschleißfestigkeit und niedrigem Reigungskoeffizienten maßschneidern. Ein Kohlefaser-Gleitmittel sorgt für eine dauerhaft hohe Steifigkeit. Dies sind wichtige Überlegungen, wenn schnellere Eingriffe ermöglicht werden sollen, ohne die Sicherheit für Chirurgen und Patienten zu beeinträchtigen – oder besser noch bei erhöhter Sicherheit. Ich möchte in diesem Zusammenhang außerdem darauf verweisen, dass wir den Herstellern auch biologisch verträgliche Materialien anbieten, wenn die Healthcare-Anwendung dies erfordert.

Frage: Sie haben eingangs auch das verstärkte Kostenmanagement als einen Trend in der Medizintechnik erwähnt. Wie lassen sich durch den Einsatz von Kunststoffen Kosten sparen?

Frissora: Die Herstellung metallischer Bauteile kann sehr aufwändig sein. So bestehen Instrumente für die minimalinvasive Chirurgie aus vielen Innenteilen, wie Zahnrädern, Hebeln und Wellen. Metall muss hierfür präzisionsbearbeitet werden, gefolgt vom Auftrag eines Schmiermittels für gute Verschleißfestigkeit und Gleitfähigkeit. Die nachträgliche Bearbeitung und Schmierung sind potenziell Kosten steigernde Schritte. Kunststoffe lassen sich, wenn überhaupt erforderlich, vergleichsweise leichter bearbeiten, und wenn die genannten Teile im Spritzgießverfahren gefertigt werden, kann die Nachbearbeitung und Nachbehandlung in vielen Fällen komplett entfallen. Dadurch erschließ sich trotz der anfänglichen Mehrinvestition für die Werkzeuge Einsparungen bei den Gesamtsystemkosten. Weiterhin erlaubt ein Verfahren wie das Spritzgießen höhere Durchsatzraten im Vergleich zur werkstückweisen Bearbeitung, was die Zykluszeiten reduziert.

Spezialcompounds wie LNP Lubricomp oder LNP Thermocomp von GE bieten Eigenschmierung und integrierte Verstärker, um neben ihrer wiederholgenauen, eng tolerierten Verarbeitbarkeit die Verschleiß- und mechanische Festigkeit von Zahnrädern und anderen Innenbauteilen sicherzustellen. Bei der Materialfamilien eigen sich für eine Vielzahl komplexer beweglicher Teile in Instrumenten für endoskopische und minimalinvasive Eingriffe, wie Trokarts, Wundspreizer, Klammergeräte und Elektrokauterisatoren.

Frage: Kunststoffe substituieren also Metall sowohl bei Innen- als auch bei Außenteilen?

Frissora: Absolut! Nehmen Sie irgendein Instrument zur minimalinvasiven Chirurgie, das unter Einsatz unserer Materialien hergestellt wird. Da gibt es mehrere Außenteile, wie Hebel, Knöpfe und Auslöser, die schon vor Jahren von Metall auf hoch gefüllte Kunststoffe umgestellt wurden, um sie ohne Verlust der Festigkeit im Spritzgießverfahren zu fertigen. Seit einiger Zeit nun werden auch immer mehr Innenbauteile statt aus Metall aus Kunststoffen hergestellt, die auf innovativer Polymertechnologie aus unserem Hause basieren. Diese Teile sind oft hohen Kompressionskräften ausgesetzt, erfordern also eine herausragende mechanische Festigkeit. Sie müssen belastbar sein und sich bei jedem Gebrauch durch den Chirurgen über einen berechenbaren Zeitraum hinweg gleich verhalten. Materialien wie Ultem erfüllen die hierfür benötigte Kompressionsfestigkeit und Steifigkeit. LNP Thermocomp-Spezialtypen bieten reduzierte Reibungskoeffizienten für erhöhte Gleitfähigkeit und Verschleißfestigkeit. Insgesamt lassen sich mit unseren Kunststoffen maßgeschneiderte Lösungen realisieren, die sekundäre Arbeitsschritte erübrigen und die Fertigung der Teile im Spritzgießverfahren ermöglichen.

Frage: Wie schneiden Kunststoffe im Vergleich zu Metallen beim Sterilisieren ab?

Frissora: Viele medizintechnische Anwendungen und Produkte müssen gammasterilisiert oder autoclaviert werden. Dies wiederum erfordert Kunststoffe, die der Einwirkung energiereicher Strahlen oder den erhöhten Temperaturen von 121°C bis 134°C im Dampfautoclaven standhalten. Manche Hersteller verlangen die wiederholbare Autoclavierbarkeit über zwei bis 2.500 Zyklen. Der Einsatz der Dampfsterilisierung hat unter dem Eindruck der bovinen bzw. transmissiblen spongiformen Enzephalopathie – BSE/TSE oder gemeinhin „Rinderwahn“ – stark zugenommen.

GE hat innovative Materialien entwickelt, wie Lexan 4404, die diesen erhöhten Temperaturen standhalten, aber im Vergleich zu Metallen Gewicht sparen. Lexan 4404 ist ein klar transparentes Polycarbonat für Anwendungen, die bei Temperaturen bis 134°C einige begrenzte Male wiederholt autoclaviert werden müssen. Es eignet sich für eine Vielzahl von chirurgischen Instrumente und Hilfsgeräten in der Medizin. Wir haben außerdem gammasterilisierbare Materialien entwickelt, wie Lexan HPS7, das diese Eigenschaft mit hoher Beständigkeit gegen Lipide und wiederholter Autoclavierbarkeit vereint. Wo eine größere Anzahl wiederholter Autoclavierzyklen erforderlich ist, können Ultem oder auch Noryl* modifizierte Polyphenylenether eingesetzt werden. Ultem ist nicht so transparent wie Lexan. Das opake Noryl bietet überlegene Duktilität. Alle drei Materialien sind spritzgieß- und thermoformbar und können problemlos nachbearbeitet werden, falls erforderlich.

Für Farbcodierungen empfehlen wir LNP Colorcomp* Kunststoffe. Auch diese Spezialcompounds lassen dem Hersteller medizintechnischer Anwendungen die Wahl einer breiten Palette von Basispolymeren. So finden sich zahlreiche Beispiele für den Einsatz hoch leistungsfähiger Kunststoffe in Bereichen, die aus traditioneller Sicht einst den Metallen vorbehalten waren.

Frage: Welche Mittel investiert GE in die Entwicklung neuer Materialien für die Healthcare-Industrie?

Frissora: GE hat ein qualifiziertes Team von Mitarbeitern für die Healthcare-Industrie gebildet, um unsere Erfahrungen und Kenntnisse in dieser Branche zu vertiefen und uns auf die Entwicklung und Formulierung von Materialien zu konzentrieren, die den Anforderungen der Hersteller, des Klinikpersonals und der Patienten entgegenkommen. Wir haben in neue Labor-, Test- und Analysetechnik investiert, um die Leistungsfähigkeit unserer Materialien in medizintechnischen Anwendungen besser bewerten zu können, und unser Produktportfolio im vergangenen Jahr um rund 20% erhöht. Hinzu kommen erweiterte Kapazitäten für Autoclaviertests und Spritzgussversuche mit neuen Materialien für kleinere und Präzisionsteile sowie für Anwendungen mit langen oder komplizierten Fließwegen. Lexan HPX8R, Lexan HPX4 und Lexan HP1HF setzen neue Maßstäbe bei Autoclavierbarkeit, Duktilität, Formtrenn- und Fließeigenschaften. Und unsere kontinuierlichen Innovationen im Bereich der LNP Spezialcompounds tragen immer wieder dazu bei viele der Herausforderungen konstruktive medizintechnischer Anwendungen zu meistern.

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Helen Vandebovenkamp
helen.vandebovenkamp@ge.com

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Über GE - Plastics

GE - Plastics ist ein globaler Anbieter von Kunststoffen für eine Vielzahl von Anwendungen in den Bereichen Fahrzeugbau, Gesundheitspflege, Verbraucherelektronik, Transportwesen, Qualitätsverpackungen, Bauwesen, Telekommunikation und Optische Medien. Das Unternehmen fertigt und compoundiert technische Polymere, wie Polycarbonat (PC), ABS, SAN, ASA, PPE, PC/ABS, PBT und PEI, außerdem die Linie der hoch leistungsfähigen LNP Spezialcompounds. GE - Plastics, Specialty Film & Sheet fertigt Lexan Hochleistungsplatten und folien für den Einsatz in Tausenden anspruchsvoller Anwendungen weltweit. Darüber hinaus hat sich der Geschäftsbereich Automotive von GE - Plastics als weltweit erfahrener und wettbewerbsfähiger Partner für Kunststofflösungen in fünf Kernsegmenten des Fahrzeugbaus etabliert: Karosserieteile und Verglasungen, Bauteile im Motorraum, tragende Strukturen, Innenausstattung und Beleuchtung. Als Worldwide Partner der Olympischen Spiele ist GE der exklusive Anbieter eine breiten Palette innovativer Produkte und Dienstleistungen von integraler Bedeutung für den Erfolg der Wettkämpfe.

* Lexan, Ultem, LNP, Lubricomp, Thermocomp, Noryl und Colorcomp sind Warenzeichen von General Electric Company.

™ ClearView ist ein Warenzeichen von Rigid Medical Technologies Corporation.

® INSORB|20 ist ein eingetragenes Warenzeichen von Incisive Surgical Inc.

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Clare Frissora ist Market Director, Healthcare, GE - Plastics.

 

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